Was ist das, ein „Evensong“?
Diese Form der gottesdienstlichen Meditation ist ein liturgisches Geschenk aus der Tradition der anglikanischen Kirche und ist seit tausend Jahren nahezu unverändert erhalten geblieben. In der
Kombination aus dem Abend- und Nachtgebet der Kirche (Vesper und Komplet) ist in der anglikanischen Liturgie das „Evening Prayer“ entstanden, der an vielen Kathedralen und Colleges täglich von
Chören (oft von Knabenchören) als „Evensong“ gestaltet wird. Diese Tradition ist in Deutschland und Österreich leider nicht verbreitet.
Wie das Wort „Evensong“ sagt, gehört diese Form der Besinnung und der Meditation in die Abenddämmerung. Nach altem biblischem Zeitgefühl endet ein Tag mit dem Abend. Wenn die ersten drei Sterne
am Himmel sichtbar werden, beginnt mit der Nacht eine neue Zeit. An dieser Schwelle kommen Menschen zusammen, um den alten Tag zu verabschieden, um ihren Frieden zu machen mit dem, was gewesen
ist, und um sich innerlich zu reinigen für das, was kommt. „Even“ meint einerseits den Abend als Zeit-die-nach-dem-Tag-ist. Zugleich steckt im Wort Even das Bild der Ebene, das Ausgleichende, was
die Dinge ins Gleichgewicht bringt. In diesem doppelten Sinn laden wir Sie ein, diese Meditation zu nutzen, die Seele auspendeln zu lassen, sich zu lösen vom Gewesenen und sich zu besinnen auf
das Geschenk eines neuen Tages.
„Evensong“ heißt diese Besinnung, weil der Ablauf geprägt ist von der Musik in Form von Gesang in der a cappella Form oder instrumental begleitet. In alter Sitte ehrte man das Wort Gottes auch
dadurch, dass man nicht einfach die Bibel aufschlug und Texte der Heiligen Schrift wie gewöhnliche Worte vorlas, man bettete sie vielmehr in einen Gesang. Zum Evensong gehört der Chor genauso wie
das gemeinsame Lied aller Anwesenden. Der Evensong beginnt mit dem Einzug des Chores und der Assistenz, Psalmen und Bibellesungen wechseln in jeder Woche. Was immer wieder kehrt, sind die beiden
großen biblischen Hymnen, das Lied der Maria, das in der lateinischen Bibel mit dem Wort „Magnificat“ beginnt, und das Lied des greisen Simeon, das „Nunc Dimittis“. Die Gemeinde trägt das
Fürbittengebet vor Gott. Danach überreicht der Chor sein musikalisches Present, den Anthem. Mit dem gemeinsamen Lied und dem anschließenden Auszug der Durchführenden endet der liturgische
Gottesdienst.
Zur Entstehung der Feierform in der Pfarre Meidling
Die Kirchenmusiker und Theologen der katholischen Tradition suchen immer wieder nach Gottesdienstform, die den Menschen im Stress des Alltags wieder zur Ruhe bringen und ihn zu sich selbst
zurückführen kann. Die Tradition des Stundengebets wird seit einiger Zeit in vielen Gemeinden wieder aufgegriffen, auch eine regelmäßige Sonntagsvesper findet mancher Orts statt.
Das Stundengebet in der katholischen Kirche war schon immer ein Gebet der Klöster und Gemeinschaften. Der idente Einsatz in den Ortsgemeinden führt nicht selten zu Schwierigkeiten, da die
Gemeinde nicht gewohnt ist Psalmen zu singen, auch ist die Orientierung in einem Stundenbuch für unerfahrene Beter schwierig und ohne Vorbereitung nicht durchzuführen. Dieser Umstand führt oft
dazu die Psalmen zu beten anstatt sie zu singen, was ihre eigentliche Gebetsform ist.
Im Kölner Dom wurden während der Feierlichkeiten zum Domjubiläum im August 1998 regelmäßige Kompletfeiern zelebriert, die sich bei den Chören wie bei den Gottesdienstbesuchern solcher Beliebtheit
erfreuten, dass die Idee entstand, eine Komplet als abschließendes Gebet des Tages in der Kathedrale zu installieren. Für das Erzbistum Köln hat sich Richard Mailänder am Modell des
anglikanischen
Evensong orientiert und nach dessen Vorbild und versucht eine neue Synthese von Komplet und Vesper. Es wurde aber nicht der anglikanische Evensong komplett nachgebildet, sondern es sollten seine
Grundzüge erfasst werden.
Die Gemeinde wird in der anglikanischen Tradition bis auf das gemeinsame Singen des Hymnus und durch das Sprechen der Gebete (Glaubensbekenntnis, Vater unser) kaum in den Gottesdienst
eingebunden. Den Hauptpart bildet der Chorgesang.
In der katholischen Tradition ist die aktive Teilnahme aller Gläubigen an der Liturgie spätestens durch das zweite Vatikanische Konzil nicht nur bloßer Wunsch, sondern Realität geworden. Daher
muss die Konzeption eines „katholischen Evensongs“ die Beteiligung der Gemeinde an der Liturgie zum bestimmenden Maßstab werden lassen.
Der Evensong der anglikanischen Kirche, sowie der Kölner Tradition wurden für die Bedürfnisse und Möglichkeiten der Pfarre Meidling angepasst. Besonderes Augenmerk wurde auf die Beteiligung der
Gemeinde gelegt. Dieses wird dadurch erreicht, dass neben dem gemeinsamen Singen des Hymnus und des Abendliedes, dem gemeinsamen Hören auf das Wort Gottes (zwei Lesungen aus dem alten, sowie
neuen Testament), dem gemeinsamen Singen des Magnificat, das gemeinsame Fürbittgebet eine zentrale Rolle spielt. Die Psalmen werden nach anglikanischer Tradition als Anglican Chant vom Chor
vorgetragen. Ebenso wurde der Tradition des Anthems (chorische Motette) Rechnung getragen.
So soll es versucht werden eine Gottesdienstart in der Gemeinde zu etablieren, die zum einen von der Gemeinde selbst, als auch gemeinsam mit Klerikern gefeiert werden kann und einen festen Platz
in der Gemeinde und im Jahr als Ergänzung zur Eucharistiefeier und zur Bereicherung der gottesdienstlichen Formen erhält.
Diese Form ist auch besonders geeignet Menschen anzuziehen, die sich von der Feier getragen wissen wollen, da der Chor alle Parts „mitsingt“, sodass eine Teilnahme an diesem Gottesdienst ohne
besondere Vorkenntnisse oder ein besonderes sängerisches Können möglich ist. Für jede diese Feier sollen Feierhefte entstehen, die neben den Teilen und Texten der Liturgie auch Erklärungen für
die Gottesdienstteilnehmer enthalten, sodass ein Verfolgen und Mitfeiern gut gegeben ist. Auch soll es eine ausführliche Beschreibung der Feier für den Chor und die Gottesdienst leitende Person
geben, die alle Texte, Noten und „Regieanweisungen“ enthält. Mit den einzelnen Gruppen ist jeweils vorher solange eine Probe der Feier erforderlich, bis allen Beteiligten der Ablauf und die
Gestalt der Feier vertraut sind.
Es soll für jeden dieser Gottesdienste Werbung in der Gemeinde, aber besonders auch im Entwicklungsraum und darüber hinaus gemacht werden, sodass die Termine für den „Meidlinger Evensong“
möglichst viele Menschen erreicht.
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